Sportvg Feuerbach Info 01/2023

7 SPORTVG FEUERBACH INFO-MAGAZIN 1-2023 in der eigenen Familie, geprägt. Täterinnen und Täter waren früher häufig selbst Opfer sexualisierter Gewalt. EinViertel bis ein Drittel der Taten werden von Kindern und Jugendlichen sogar selbst, also untereinander, begangen. Dieser Umstand verdeutlicht, warum Präventionsarbeit so wichtig ist undwarum Institutionen undVereine proaktiv han- deln sollten, um den Kreislauf der Gewaltspirale zu durch- brechen. Matthias Reinmann: Richtig, häufig wird angenommen, dass die Täter Einzelgänger sind und kaumbzw. keine sozialen Kontakte pflegen. Das ist allerdings ein Trugschluss. Grundsätzlich sind die Täter bestens in unserer Gesellschaft, in Institutionen und Vereinen integriert. Sie sind weder Monster noch Außenseiter. Es gibt keine äußeren Erscheinungsmerkmale, welche auf Täter hinweisen. Welche präventivenMaßnahmen kann ein Sportverein überhaupt ergreifen? Matthias Reinmann: Zunächst kann der Verein eine Kultur der Offenheit, der Aufmerksamkeit und des Hinsehens schaffen. Alle in der Kinder- und Jugendarbeit Tätigen sollen sich der Ver- antwortung stellen, Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt zu beschützen. Das heißt, dass Verantwortliche auf allen Ebenen über Informationen verfügen, das Thema einschätzen und das strategische Vorgehen von Tätern kennen. Und natürlich sollen Kinder und Jugendliche gestärkt werden. Sie sollen ermutigt werden, sich jemandem anzuvertrauen und Hilfe zu suchen. Die Sportvereinigung geht übrigens genau diesenWeg des Hinschauens – einerseits durch eine aktive Kommunikation, mit Benjamin Haar als direkten Ansprechpartner und Vertrauensperson und internenMaßnahmen wie demWorkshop im Januar. Nadine Rohde: Die Sportvereinigung schaut wirklich hin. Seit 2022müssen beispielsweise alle ehrenamtlichen, neben- und hauptamtlichenMitarbeiter der Sportvg einen Ehrenkodex unterschreiben. Sie sichern zu, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen unter Einhaltung von ethischen undmoralischen Gesichtspunkten zu gestalten. Es ist ein Zeichen an dieMitglie- der, dass allenMitarbeiterinnen undMitarbeitern dasWohl der sporttreibenden Kinder und Jugendlichen amHerzen liegt. Das ist übrigens eine zusätzliche Maßnahme, denn ein erweitertes Führungszeugnis muss jeder Mitarbeiter, der mit Kindern und Jugendlicher arbeitet, ohnehin vorlegen. Das ist ein sinnvoller Teil des Präventionskonzeptes. Es stellt allein jedoch keine Garantie für die Einhaltung des Kinder- und Jugendschutzes dar. Eben wurde die Stärkung von Kindern und Jugendlichen angesprochen, dass sie sich selbst vor Übergriffen schützen können sollen. Wie kann das imDetail aussehen? Matthias Reinmann: Zunächst sollen Heranwachsende ihre Rechte kennen und sich dafür einsetzen. Sie sollen nicht alles unreflektiert hinnehmen – auch wenn es von Erwachsenen kommt. Dadurch treten junge Menschen Erwachsenen nicht per se respektlos gegenüber. Nur so können sich Kinder möglicherweise selbst schützen. In vielen Fällen benötigen sie jedoch unsere Unterstützung. Nadine Rohde: Sport hat die Intention, Kinder und Jugendliche zu stärken und ihnen zu helfen, dass sie zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen. Unsere Selbstverteidigungskurse, die wir mit Gabi Grau und den Ju-Jutsuka anbieten, ergänzen beispielsweise unser Angebot. Hier könnenMädchen und Jungs mehr Selbstbewusstsein entwickeln sowie Fähigkeiten erlernen und ausbauen, die ihren Schutz erhöhen. Im Frühjahr starten wir übrigens wieder mit neuen Kursen. Und welche Rolle können die Trainerinnen und Trainer einnehmen? Matthias Reinmann: Sie sollten einen sensiblen Umgang mit den jungenMenschen pflegen und das eigene Handeln immer wieder reflektieren. Sie sollten versuchen, sich in die Kinder und Jugendlichen hineinzuversetzen und einenmöglichen Körperkontakt imVorfeld kurz ankündigen. Schlussendlich sind auch die Eltern gefragt. Was können sie tun, um ihre Kinder zu schützen? Matthias Reinmann: Die wichtigste und effektivste Prävention ist elterliche Liebe, Zuneigung und Nähe. Präventionsarbeit ist besonders dann erfolgreich, wenn Elternmit den Themen „sexualisierte Gewalt“ und „Sexualität“ möglichst offen und unverkrampft umgehen. Kinder werden sich eher öffnen, wenn diese Themen im Elternhaus kein Tabu sind und ein ungezwungenes Sprechen über Sexualität selbstverständlich ist. Nadine Rohde: Die Zusammenarbeit mit den Eltern spielt eine extremwichtige Rolle. Sie sind unsere Ansprechpartner, wenn es um ihre Kinder geht. Das Thema sexueller Missbrauch kann Angst und Unsicherheit auslösen, wenn nicht genügend Aufklärung undWissen vorhanden ist. Genau deswegen gehen wir auchmit demThema an die Öffentlichkeit und laden ein, sich zu informieren und sich darüber auszutauschen. Nur so können wir eine Haltung des Hinschauens leben. Zum Ende des Gesprächs noch ein kurzer Blick in die Zukunft: Wie geht es weiter mit dem Schutzkonzept bei der Sportvg? Nadine Rohde: Wir möchtenmit Übungsleitern und Trainern aus den Abteilungen eine Risiko- und Gefahrenanalyse durchführen. Daraus werden wir dann weitere Maßnahmen ableiten. Außerdemwerden wir Sensibilisierungs-Workshops anbieten und die Öffentlichkeit regelmäßig informieren, um so unsere Haltung des Hinschauens zu zeigen. Und welche Aufgaben und Herausforderungen wartenmit der Präventionsarbeit auf Sie? Matthias Reinmann: Einen 100-prozentigen Schutz vor sexua- lisierter Gewalt werden wir leider nie erreichen können, aber wir können durch vielfältige Präventionsmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit sexualisierter Gewalt drastisch reduzieren. Trotz allem trifft man immer wieder auf sehr skeptische Menschen, die noch immer in veralteten Ansichten undMustern feststecken. Sie behaupten tatsächlich, dass es Fälle sexualisier- ter Gewalt in Sportvereinen gar nicht geben würde. Diese mit ins Boot zu holen, dürfte wohl die größte Aufgabe und Herausforderung darstellen. Viel Erfolg weiterhin und Danke für das Gespräch.

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